Sie kennen nur das Hier und Jetzt! Was dein Baby fühlt, wenn es “kurz” allein ist und was du tun kannst, ohne dich zu sehr einzuengen.
Viele Monate war dein kleiner Schatz 24 h 7 Tage die Woche umhüllt von Mamas Wärme, hörte pausenlos Mamas Herzschlag, schmeckte, roch und fühlte einfach rundum Mama! Was dein Baby fühlt ist nach der Geburt also zwangsläufig erstmal eine ganz drastische Veränderung.
Die Geburt ist nicht nur für uns ein Marathon, sondern auch für das Baby. Für dieses kommt nun hinzu, dass es auf einmal viel kälter ist. Egal wie warm der Raum ist, das ist einfach ganz anders als komplett von Mama umhüllt zu sein. Dazu kommt eine neue Welt an Geräuschen, Gefühlen auf der Haut, grelles Licht. Wie auch immer ein Baby das genau wahrnimmt, ich kann verstehen, dass man da erst mal schreit und im besten Fall gleich an die Brust kommt.
“ein baby kann nicht verwöhnt werden. das ist es nämlich schon!”
Nun, das im Hinterkopf kann ich Sätze wie “ich trage das Baby nicht, damit es sich nicht dran gewöhnt”, in keinster Weise nachvollziehen. Dein Kind IST GEWÖHNT, Mama zu schmecken, riechen, hören fühlen. Dass es selbst und seine Umgebung “Mama” zwei verschiedene Sachen sind, kriegt es plötzlich zu fühlen und beginnt es im Alter von 7 bis 10 Jahren irgendwann langsam zu verstehen.
Ein anderer Satz, den ich vor so vielen Jahren irgendwo gelesen habe und wohl nie vergessen werde lautet ungefähr: “Die Mütter saßen neben ihren schreienden Babys, es zerriss ihnen das Herz, manche weinten oder zitterten, alle fühlten sich offensichtlich grausig. Aber die meisten gehorchten, denn der das Erziehungsseminar leitende Experte hatte sie angewiesen, ihr Liebstes schreien zu lassen, das sei gut für die Lungen.”
Wir Eltern fühlen, dass schreien lassen bei Neugeborenen grundsätzlich fatal ist. Anderes gilt ausschließlich dann, wenn du am Ende deiner Kräfte notfallartig zur Beruhigung in ein anderes Zimmer musst, um mal einen Augenblick Ruhe zu nutzen und tief durchzuatmen. Erziehung basiert nun einmal auf Beziehung und das bedeutet auch, dass deine Bedürfnisse und die des Babys zusammen finden, manchmal auch gegeneinander prallen. Aber das sind die entscheidenden Kriterien, nicht die Meinung irgendeines Wissenschaftlers, der gerade eine ganz nette Idee hatte. Hätte ja sein können, dass Schreien wirklich gut für die Lungen ist, vielleicht ist es das sogar bis zu einem gewissen Grad auch. Aber!
Aber, dein Baby wird genug schreien, glaube mir, ich kenne genug Attachment Parenting Anhänger, die mit Stillen, Familienbett, Tragen, Windelfrei und und und alles gegeben haben, ihr Baby so wenig wie möglich schreien zu lassen. So lange das nicht zum Zwang wird, der die Bedürfnisse der Eltern ignoriert, ist das auch völlig ok. Ich bringe das hier nur als Beispiel: Egal was du tust, dein Baby wird genug schreien, dass es dir echt wurscht sein kann, ob Schreien für die Lungenreife gut wäre.
Außerdem ist Wissenschaft definiert ohnehin nur der ernsthafte planmäßige Versuch zur Ermittlung der Wahrheit. Ich liebe Wissenschaft, aber manchmal tut es gut, diese Defintion zu kennen und sie sich vor Augen zu halten. Denn in anderen Worten bedeutet das: Egal wie viele Studien, egal welch größter Wissenschaftler aller Zeiten etwas meint:
- kennen Studien und Wissenschaftler weder dich noch dein Kind!
- liegt es eben in der Natur der Wissenschaft, dass sicher viele nützliche Informationen gewonnen werden, aber es ist nicht die Wahrheit, sondern eben nur ein sorgfältig und mit großer Mühe und Seriosität betriebenes Herumraten!
“Wissenschaft und erfahrung anderer ersetzt nicht deine intuition, sondern kann sie ergänzen”
Zu der krassen Umstellung, die ein Neugeborenes erlebt, gibt es außerdem zu Bedenken, dass noch kein Verständnis von Raum und Zeit vorhanden ist! Dass du “gleich wieder kommst” oder “nur nebenan” bist, versteht dein Baby nicht. Bist du da, ist die Welt in Ordnung: Schutz, Liebe, Nahrung, alles da! Bist du nicht da, stimmt ganz gewaltig etwas nicht. Allein ist ein Baby überlebensunfähig, also macht es Sinn, dass sein Gehirn Alleinsein als Gefahr einstuft.
Ok, rein theoretisch wäre es also eine nette Sache dein Baby rund um die Uhr neben dir oder eben an dir, z.B. im Tragetuch, zu haben.
Nun, oft muss Papa aber z.B. arbeiten und du bist als Mutter allein. Geschwächt von der Geburt und es wäre je nach Verlauf unter Umständen sogar schädlich für dich, wenn du permanent trägst. Auch wenn du das gleiche Geschöpf vor Kurzem zzgl. Mutterkuchen und Fruchtwasser getragen hast, da war deine Muskulatur noch in einem anderen Zustand und dein gesamter Körper, unter anderem hormonell, einfach anders beisammen.
“die richtige balance stellt sich nicht von allein ein. dein Baby ist wichtig und du auch!”
Wir müssen uns entscheiden! Und dass diese Entscheidung irgendwo in der Mitte zwischen uns und unserem Nachwuchs liegen wird, dürfte klar sein.
Was vielen nicht so klar ist, ist die Frage der Beständigkeit von Entscheidungen. Ist es sprunghaft, öfter eigene Entscheidungen zu ändern? Wie schnell “darf” ich eine Entscheidung ändern, ohne inkonsequent zu wirken? Nimmt mich meine Umgebung noch ernst, wenn ich mich an mein eigenes Wort nicht halte?
Nun, die Antwort ist viel leichter als du vielleicht denkst:
Nie die Meinung zu ändern, wäre ziemlich starr, einfach unflexibel und du könntest dich nicht anpassen. Das Gegenteil zu unflexibler Starrheit ist Chaos. Chaotisch wäre es, unreflektiert deine Meinung zu ändern.
Hast du dagegen einen Grund, darüber nachgedacht und stehst hinter deiner neuen Entscheidung, dann ist es auch seriös die Meinung zu ändern. Du könntest gar am gleichen Tag mehrfach die Meinung ändern. Wenn du an diesem Tag zum Beispiel viele verschiedene Ansichten gelesen oder dich mit verschiedenen Menschen unterhalten und darüber nachgedacht hast. Das ist nicht sprunghaft, sondern weltoffen!
Ein konkretes Beispiel: Wenn ich bei meinem ersten Kind etwas von Attachment Parenting höre und von der Idee dieser innigen Bindung zwischen Baby und Eltern begeistert bin, ist das doch ok. Und wenn ich Jahre später auf den Gedanken stoße, dass man sich immer inspirieren lassen kann, aber jede noch so gute Idee zur theoretischen Ideologie verkommen kann, die keine Rücksicht mehr nimmt auf mich und meine Familie?
Dann ist es genau so ok, wenn nicht gar angebracht, dass ich reflektiere, ob die Entscheidung von einst noch auf mich passt. Das Ergebnis wird auch kaum sein, dass ich alles, was ich zu Attachment Parenting gelesen und erfahren habe, links liegen lasse. Aber modifizieren werde ich es.
“Entscheidungen treffen wir jeden moment. unsere meinung ändern zu können ist weltoffen und erleichtert das leben.”
Und so ist es von Anfang an. Entscheidungen entstehen von Augenblick zu Augenblick neu. Und du bist nie exakt dieselbe Person. Mal satt, mal hungrig. Mal ausgeschlafen, mal müde. Mal gut drauf, mal weniger. Mal willst du gerade eh dasselbe wie dein Baby, mal das Gegenteil. Du kannst dich von außen inspirieren lassen, aber weil niemand dich, dein Baby und die Situation jetzt in diesem Moment so gut kennt wie du, kann niemand jemals eine Entscheidung für euch so gut treffen wie du!
Daher sind auch die folgenden Punkte nur Inspirationen:
- Lass dein Baby so nah bei dir schlafen wie es sich für dich noch gut anfühlt. Dein Baby liebt deine Nähe!
- Gönn dir die Zeit zu notieren, wenn etwas besonders gut gelaufen ist oder sich eine Situation komisch angefühlt hat. Lobe dich oder denk über Verbesserungsmöglichkeiten nach.
- Schätze deinen Schlaf wert! Ja, Babys sind nachts manchmal laut und manchmal gar die ganze Nacht. Aber sobald es schläft und du müde bist, lass die Wohnung, den Partner, Freunde und Verwandte, die Arbeit und Social Media. Schlaf! Das ist wichtig für euch!
- Steh zu deinen Bedürfnissen: Freundlich und deutlich, kannst du andere um Hilfe bitten, genau so aber auch deine Grenzen setzen.
- Verschaff dir Zeiten, die du zur Ruhe kommst und genießt. Und seien es nur je 3 Minuten. Täglich Momente ganz allein, täglich du und dein Baby, täglich du und dein Partner und sei es nur eine kurze Umarmung, selbst wenn gerade Streit herrscht. Kein Wort, einfach nur die Nähe suchen, kurz und in Ruhe lassen. Körperkontakt ist die absolute Basis für Bindung! Regelmäßig je wie es zu deinem Leben passt überlege weitere Personen wie deine Eltern, Geschwister oder andere, spendet euch gegenseitig Kraft! Sei präsent. Es lohnt sich immer. So lange du achtsam in dich hinein horchst.